Wissensartikel
13:33 Uhr, 09.04.2024

Warum tickt der DAX jetzt so merkwürdig?

Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Deutsche-Börse-Tochter Stoxx die Berechnungsweise des DAX und anderer Indizes aus der DAX-Familie angepasst. Vor allem Daytrader sind seit dem 18. März verwirrt, weil Eröffnungs- und Schlusskurse jetzt anders berechnet werden als bisher.

In diesem Artikel geht es ausschließlich darum, was sich bei den Eröffnungs- und Schlusskursen des offiziellen Xetra-DAX und anderer Indizes der DAX-Familie per 18. März geändert hat. Vielen privaten Tradern sind hier Änderungen aufgefallen, die in diesem Artikel genauer beleuchtet werden. Es gab weitere Anpassungen in den Indizes der DAX-Familie. Informationen dazu gibt es in einem Youtube-Video der Deutschen Börse, das am Ende dieses Artikels verlinkt ist.

Der Eröffnungskurs, der keiner mehr ist

Der DAX ist ein Index, der aus den Kursen der 40 im DAX enthaltenen Aktien auf Basis des Xetra-Kassahandels ermittelt wird. Der Kassahandel besteht aus den Auktionen (Eröffnungs-, Mittags- und Schlussauktion) sowie dem fortlaufenden Handel, der zwischen den Auktionen stattfindet. (Neben dem offiziellen Xetra-DAX gibt es natürlich noch zahlreiche, inoffizielle DAX-Indikationen sowie den DAX-Future. In diesem Artikel geht es ausschließlich um den offiziellen Xetra-DAX).

Besonders bei der Berechnung des ersten Kurses des DAX und anderer Indizes der DAX-Familie hat sich nun eine markante Änderung ergeben. Bisher wurde der DAX-Eröffnungskurs berechnet, wenn bei allen 40 DAX-Aktien in der Eröffnungsauktion ein Kurs feststand. Dies hat eine gewisse Zeitdauer erfordert, weswegen der erste DAX-Kurs in der Regel erst wenige Minuten nach 9.00 Uhr feststand.

Seit dem 18. März wird der erste DAX-Kurs auf Xetra nach 9:00 Uhr berechnet, sobald bei einer der 40 Aktien in der Eröffnungsauktion ein Kurs feststeht. Für die 39 anderen Aktien wird so lange der Xetra-Schlusskurs des Vortages bei der DAX-Berechnung verwendet, bis auch hier ein neuer Kurs feststeht. Durch diese Änderung entspricht der erste Xetra-DAX-Kurs des Tages nun (fast) exakt dem Schlusskurs des Vortages, denn zur Berechnung werden ganz überwiegend die Schlusskurse des Vortages verwendet, solange noch keine neuen Kurse vorliegen. Dies führt auch dazu, dass es keine oder nur noch sehr kleine Gaps (also Kurslücken) zwischen den Tageskerzen des DAX und verwandter Indizes gibt.

Wichtig: Auch wenn die vorbörslichen Indikationen beispielsweise zeigen, dass der DAX deutlich höher oder tiefer starten dürfte, wird der erste offizielle Xetra-DAX-Kurs des Tages in der Regel sehr nahe am Schlusskurs des Vortages liegen! Dies ist auch relevant etwa für Hebelzertifikate, die hier leicht ausgeknockt werden können. Kurz nach dem Handelsstart, wenn auch die Kurse anderer DAX-Aktien nach und nach in die Indexberechnung einfließen, wird sich der Xetra-DAX aber in der Regel schnell wieder dem vorbörslichen Niveau annähern.

Man sieht das merkwürdige Eröffnungsverhalten auch im Tick-Chart des XDAXDAX, der den X-DAX (mit den außerbörslichen Kursen der DAX-Aktien) und den DAX mit den offiziellen Xetra-Kursen kombiniert. Heute stand der XDAXDAX am Ende des vorbörslichen Handels bei 18.265,30 Punkten. Mit dem Start des Xetra-Handels schoss der Kurs auf den ersten DAX-Kurs bei 18.318,51 Punkten nach oben (grüner Pfeil). Dieser erste DAX-Kurs basierte aber größtenteils auf den Schlusskursen des Vortages. Anschließend fielen DAX bzw. XDAXDAX innerhalb von 30 Sekunden wieder in Richtung von 18.270 Punkten und damit ungefähr auf das vorbörsliche Niveau zurück. Ein solches Verhalten ist nun regelmäßig zu beobachten, es lässt sich aber trotz der Vorhersehbarkeit nicht von privaten Tradern ausnutzen, weil die Emittenten von Derivaten bzw. Market Maker dieses Verhalten natürlich ebenfalls kennen und bei der Kursstellung berücksichtigen bzw. diese kurz aussetzen.

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Um die Verwirrung komplett zu machen, gibt es weiterhin einen offiziellen Eröffnungskurs ("Open Quotation"), der jetzt aber immer erst um 10:30 Uhr, also rund anderthalb Stunden nach dem Start des Xetra-Handels, berechnet und verbreitet wird. Dieser Kurs speist sich (wie der bisherige Eröffnungskurs, der kurz nach 9:00 Uhr zur Verfügung stand) aus dem ersten Kurs aller DAX-Komponenten. Tatsächlich steht dieser Kurs also in der Regel kurz nach 9:00 Uhr fest. Berechnet und verbreitet wird er allerdings erst um 10:30 Uhr.

Auch beim Schlusskurs gibt es Änderungen

Der offizielle DAX-Schlusskurs, der eine deutlich größere Bedeutung als der Eröffnungskurs hat, stand bisher in der Regel kurz nach 17:35 Uhr und spätestens vor 17:45 Uhr fest, wenn alle DAX-Aktien ihre Schlussauktion beendet hatten. Anschließend konnte zum Schlusskurs noch bis 17:55 Uhr gehandelt werden.

Nun wird der DAX-Schlusskurs erst um 17:55 Uhr berechnet, auf Basis des letzten Kurses der Schlussauktion aller DAX-Aktien. Diese Schlusskurse der einzelnen DAX-Aktien stehen weiterhin spätestens um 17:45 Uhr zur Verfügung. Verbreitet wird der offizielle Schlusskurs nicht um 17:55 Uhr, sondern erst um 18:00 Uhr, wenn auch die Schlusskurse aller anderen Stoxx-Indizes verbreitet werden.

Hier besteht jetzt also eine deutliche zeitliche Lücke zwischen den Schlusskursen der einzelnen DAX-Aktien, die in die DAX-Berechnung einfließen, und dem DAX-Schlusskurs, der erst mehr als 15 Minuten nach dem Ende der Schlussauktion verbreitet wird.

Auch dieses Verhalten dürfte viele private Trader und Anleger verwirren und Emittenten, Broker und Market Maker vor das Problem stellen, wie sie DAX-Produkte zu den entsprechenden Zeiten taxen.

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Fazit: Wer hat sich das bloß ausgedacht?

Klar ist, dass die Deutsche Börse bei ihren Änderungen nicht private Trader und Anleger und schon gar keine Daytrader im Blick hatte, sondern institutionelle Investoren. Wichtig war der Deutschen Börse unter anderem, dass die Berechnung an vergleichbare internationale Indizes angepasst wird. Insbesondere die Tatsache, dass der erste DAX-Kurs bisher erst zur Verfügung stand, wenn es Kurse bei allen DAX-Komponenten gab, sorgte mitunter für Verwirrung. Hier konnte ein fehlender Kurs die Berechnung des gesamten Index aufhalten.

Die nun vorgenommene Anpassung der Berechnung von Eröffnungs- und Schlusskursen dürfte aber nicht für mehr Klarheit, sondern für mehr Verwirrung sorgen. Vor allem die Tatsache, dass der erste Kurs in der Regel sehr nahe am Schlusskurs des Vortages liegt, selbst wenn vorbörslich ein ganz anderes Kursniveau zu sehen war, dürfte für viele Marktteilnehmer kaum nachvollziehbar sein.

Weitere Informationen gibt es in einem Informationsvideo der Deutschen Börse. Darin wird auch auf andere Aspekte eingegangen, die sich beim DAX und bei anderen Indizes der DAX-Familie zuletzt geändert haben und teilweise noch ändern werden.

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5 Kommentare

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  • borselix
    borselix

    Weiß jemand eine Webseite die die offizielle "Open Quotation" auf Basis aller Dax-Werte veröffentlicht? Ich habe bisher nichts gefunden.

    11:40 Uhr, 26.04.
    1 Antwort anzeigen
  • Saferbull
    Saferbull

    Muss die Charttechnik jetzt umgeschrieben werden? Oder wie geht Oliver Baron / Rocco Gräfe als Charttechniker jetzt damit um? Ein willkürliches Beispiel vom 19.04.24: Es ist ein roter Kerzenkörper mit langer Lunte zu sehen. Nach den alten Xetra-Regeln wäre dort eine grüne Kerze ohne Docht/Lunte unterhalb des Kerzenkörpers vom Vortag gewesen.

    18:16 Uhr, 25.04.
  • Rocco Gräfe
    Rocco Gräfe Technischer Analyst und Trader

    Ich ergänze, dass der XETRA DAX bisher einige Jahre lange immer bis maximal genau 3 Minuten nach 9 Uhr zurückgehalten wurde, bis alle DAX Aktien neue Kurse hatten. Dies galt stets nur bis 9:03 Uhr. Wenn dann noch ein Aktienkurs nach 9:03 Uhr fehlte, was selten vorkommt, wurde der 1. XETRA DAX Kurs festgestellt. Denn es kann ja sein, dass eine Aktie vom Handel stundenlang ausgesetzt wurde. Das durfte freilich die DAX Bestimmung nicht ewig blockieren.
    Die alte 3 Min Regel war eine geniale Idee, entspricht aber wohl nicht dem internationalen Standard, wie du schon sagtest, denn der DOW JONES wird von je her so gestartet wie es nun seit 18.3.24 auch wieder im XETRA DAX der Fall ist.

    15:41 Uhr, 09.04.
  • elfriedowitsch
    elfriedowitsch

    Vielen Dank für die aufschlussreiche Aufklärung. Sie haben auch vollkommen Recht, dass diese neue Berechnung eher Unsinn ist und eher Verwirrung statt Klarheit schaff. Grüße, DT

    13:46 Uhr, 09.04.

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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